Die Bündische Jugend – Buch antiquarisch kaufen

leichte Gebrauchsspuren

256

424 g

Taschenbuch

Deutsch

Außeneinband durch Lichteinfall leicht verfärbt, hauptsächlich im Rückeneinbandbereich. Auf der Vorderseite ein ca. 5 cm großer Fleck (siehe Bild). Sonst guter Zustand. Vorderseite oben kleiner Einriss. Leichter Lagergeruch.

Idee und Geschichte der Deutschen Jugendbewegung sind schon wiederholt Gegenstand von Erörterungen in- und ausländischer Autoren gewesen. Dabei haben der Vielschichtigkeit dieser Bewegung entsprechend die verschiedensten Gesichtspunkte im Vordergrund der Betrachtung gestanden, vor allem pädagogische, soziologische, psychologische und kulturhistorische. Aber auch unter dem politisch-historischen Aspekt ist die Geschichte der Deutschen Jugendbewegung bereits untersucht worden.
Die vorliegende Arbeit will nun einen Abschnitt aus dieser Geschichte, die Epoche der Bündischen Jugend, näher darstellen und vor allem ihre politische Haltung und ihr Verhältnis zu den politischen Tendenzen der Zeit aufzeigen. Eine solche Betrachtung kann - das soll gleich zu Anfang klar herausgestellt werden - dem Gesamtbild der Bündischen Jugend nicht völlig gerecht werden; denn die Bünde sahen die politische Diskussion und Betätigung keineswegs als den eigentlichen Zweck ihres Zusammenschlusses an. Sie waren nicht politische Formationen, sondern Lebensgemeinschaften, die durch ihr Vorbild eine neue Weise des Menschseins gestalten und die Gesellschaftsordnung umformen wollten. Dieses Wollen stellte sie allmählich vor die Realität des Politischen und führte sie immer tiefer in die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit den politischen Strömungen ihrer Zeit hinein. So wurden sie zum Einflußfeld für die verschiedensten politischen Richtungen und begannen bewußt oder unbewußt eine politisch-gesellschaftliche Rolle zu spielen. Ein abgerundetes Bild dieser Jugend erhält man aber erst dann, wenn man ihre Bünde auch als Teil der Kulturbewegung ihrer Zeit, als Ausdruck der religiösen und geistigen Problematik und als pädagogische Phänomene betrachtet. Diese Gesichtspunkte können in der vorliegenden Untersuchung begreiflicherweise nur am Rande gestreift werden.
Die bisher vorgelegten Darstellungen über die Deutsche Jugendbewegung und die Epoche der Bündischen Jugend, die in die Zeit der Weimarer Republik fiel und wie diese mit der Ausbildung des nationalsozialistischen Regimes endete, weisen sehr unterschiedliche, voneinander abweichende Auffassungen und Beurteilungen auf.
Da war zunächst einmal die nationalsozialistische Darstellung und Interpretation der Bündischen Jugend. Sie war nicht einheitlich, sondern zeigte zwei Richtungen. Die eine Richtung - vor allem von Baldur v. Schirach und Max Nische vertreten - lehnte die Bündische Jugend restlos ab und verdammte sie als „gegenvölkisch", antinationalsozialistisch und hemmend beim Aufbau des Dritten Reiches. Die
Folgerung aus dieser Betrachtungsweise war die Forderung nach der restlosen Vernichtung der Bünde und der vollständigen Ausmerzung ihrer dem totalitären Staate gefährlichen Ideen und Ausdrucksformen.
Die zweite Richtung der nationalsozialistischen Darstellung der Bündischen Jugend zeichnete sich durch größere Sachlichkeit aus, wenngleich auch hier immer wieder starke Kritik daran geübt wurde, daß die Bündische Jugend sich dem Nationalsozialismus gegenüber abwartend oder sogar feindlich verhalten habe. Im Gegensatz zu v. Schirach aber, der die Anerkennung jeglicher Gemeinsamkeit zwischen der Hitlerjugend und der Bündischen Jugend ablehnte, ließen die Vertreter dieser Anschauung die Bünde als eine Art Vorläufer der Hitlerjugend gelten und bemühten sich nachzuweisen, daß die Hitlerjugend die Forderungen und Ziele der Bündischen Jugend erfüllt und ihre Werte im Hegelschen Sinne in sich „aufgehoben" habe. Der erste Versuch, die Vorläuferrolle der Bündischen Jugend für den Nationalsozialismus darzutun, liegt in dem 1934 von Will Vesper herausgegebenen Buch „Deutsche Jugend" vor.
In diesem Buch haben einige Renegaten der Bündischen Jugend ihren Weg vom Bund zur Partei geschildert und den Nationalsozialismus als die Erfüllung ihrer eigenen Ideen und Versuche in den Bünden interpretiert. Das 1939 erschienene Buch von Luise Fick über die „Deutsche Jugendbewegung" muß ebenfalls als ein großangelegter Versuch gewertet werden, die Richtigkeit dieser Behauptungen zu beweisen. Den Höhepunkt und zugleich ihren Umschlag in einen bitteren Zynismus erlebte diese These in der 1944 vorgelegten Dissertation von Helmut Kullmer. Der Verfasser schrieb dort, nachdem er die mangelnde Bereitschaft der Bünde, sich vorbehaltlos dem nationalsozialistischen Regime unterzuordnen, kritisiert hatte, daß die ehemaligen Mitglieder der Bündischen Jugend im Kampf auf den Schlachtfeldern Europas und in der Bereitschaft, ihr Blut für Großdeutschland hinzugeben, die Erfüllung ihrer Ideen finden könnten.
Es ist erstaunlich, in welchem Maße diese nationalsozialistische Auffassung von der Jugendbewegung auch das Urteil Andersdenkender über sie zu beeinflussen vermocht hat und mit welcher Zähigkeit sie sich bis in unsere Tage hinein gehalten hat..........

1961

BN0094