Hommage à Rudolf Springer – Buch gebraucht kaufen

leichte Gebrauchsspuren

32

250 g

Paperback

Deutsch

Französisch ist Rudolf Springers zweite Sprache, Frankreich das Land, in dem er am liebsten leben würde, wenn er nicht Berliner wäre. Darum sehe ich vorsichtshalber im Wörterbuch nach, denn mein eigenes Französisch reicht vielleicht gerade aus, um nicht „soupe ä l’oignon” mit „potage aux pois” zu verwechseln.

Dort stelle ich fest, daß unsere kleine Unternehmung hier eigentlich vollständig „En hommage de reconnaissance pour R. S.” heißen müßte, denn ich muß Rudolf Springer sehr dankbar sein dafür, daß er mich damals, als ich 17 oder 18 Jahre alt war, aufgenommen hat - ich an seiner Stelle hätte wahrscheinlich diese Experimentierfreude nicht aufgebracht -, und verehrt habe ich ihn von Anfang an für das, was ihn besonders macht.

Darum also in dankbarer Verehrung,

Ihr Michael Werner


‘Ciao America’ ist ein dreifarbiger Holzschnitt von drei Platten. Die Holzbretter sind gut gehobelte Tischlerplatten. Die Arbeit ist zum vierzigjährigen Jubiläum der Galerie Springer gemacht worden. Es beginnt mit dem Jahr 1948, der Eröffnung der Galerie in Berlin, auf dem ersten Schnitt sind die Vögel rechts unten.

Entsprechend der Zunahme an Jahren kommen weitere Vögel hinzu, bis sich schließlich, 1988, vierzig Vögel fest auf dem Holzbrett befinden. Weil es zu viele Zahlen waren, habe ich bei der fertigen, endgültigen Platte diese Zahlen weggeschnitten. Vögel sind es vierzig oder mehr, aber weil sie verkehrt herum sind und nur aus Linien, Flecken und Splittern von heller Farbe, die durch die schwarze Oberfläche blitzen, bestehen, kann man schlecht ausmachen, daß es Vögel sind und wieviele.

Damit drei Vögel ohne Farbe nur durch das weiße Papier besonders heraus- oder vorfallen, habe ich in das Grundtonbrett entsprechende Löcher geschnitten. So sind diese drei ausgesondert, sie sind so etwas wie die Kurbel der Pfeffermühle oder das Beiboot, was hinten neben dem Trawler hängt und auf den Wellen tanzt.

Es soll in der Mitte der Platte nichts stattfinden. Wenn sich etwas tut und etwas da ist, wie eben die drei Vögel, dann sollen sie schlingernd am Rande mitgezogen werden, gegen den Strich, wobei es durchaus meine Absicht ist, ein ordentliches Brett zu machen. Es soll aber nicht ohne die Kraft der Hand und ohne die Wärme des Kopfes sein. Der kurze, gerade Weg am Lineal entlang wird durch dazwischengestreute Umstände verhindert. Das Gelände ist holperig.

Es war von Anfang an nicht an einen direkten, kurzen Weg gedacht, sondern es war so gemeint, wie es tatsächlich schon beim ersten Abzug zu sehen ist. Wie die Fliege auf dem Tellerrand sollte grob zufällig der erste Vogel irgendwo, nur nicht dort wo er müßte, ins Holz geschnitten werden, damit sich die restlichen neununddreißig wie absichtslos daneben versammeln können.

Etwas wie ein Seemannslied mit einem leicht betrunkenen Sänger ist dabei herausgekommen. Das erklärt den Titel. Es ist schwer, sich nicht zu wiederholen und die Gleichförmigkeit zu vermeiden bei derverrückten Schaukelei im Kahn. Ich denke, daß alle Pläne, mit denen man arbeitet, gut sind. Ich meine, auch solche blödsinnigen, falschen hirn-gespinstigen Pläne, die völliger Quatsch sind, sind gut, wenn man damit arbeitet. Der verqualmte, dumpfe, trübe Plan ist die treibende Idee im bekloppten Kopf. Der Oberkörper hält sich ganz gut am Tisch, sitzt da und redet und ist jemand; die Beine unterm Tisch sind schon weggerutscht und durch die Tür fort.

Im Atelier habe ich vierzehn Drucke gemacht, bis feststand wie es sein sollte.
Georg Baselitz

1989

BN31504SK