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VORBEMERKUNG DES AUTORS
Hier wird berichtet vom Kampf eines Mannes mit den Kräften des Bösen, von denen er getrieben wird, und mit den Kräften des Guten, die ihn beflügeln; von einem Manne, der in der Frau eine Offenbarung Gottes erblickt, und von seinem Streben nach dem Wahren und Schönen in der Verworrenheit unserer Gegenwart, die keine Richtschnur für dieses Streben enthält.
In einer Welt, in der ein Mann wie Einstein wünschte, er wäre ein Klempner gewesen, und ein Junge sich glücklich schätzen mag, als Krüppel geboren zu sein; in einer Welt, in der die Menschen Angst haben, sich fortzupflanzen, so groß ist die Gefahr und Unsicherheit, in der wir leben.
Die Wirklichkeit ging verloren in einem Labyrinth technischer Errungenschaften, an die Stelle der Schönheit trat das Blendwerk äußeren Glanzes, Musik wurde ersetzt durch Radio und das Leben durch den Film. Wir arbeiten lustlos, um zu essen, und wenn wir gegessen haben, versuchen wir durch die Tür schaler Vergnügungen zu entweichen in einen Traum, aus dem wir nur noch unbefriedigter erwachen. Wir haben vergessen, daß wir noch immer der Natur angehören, nicht weniger als ein Sperling oder ein Fisch, eine Geranie im Topf oder ein Weizenfeld. Nur in der Frau und durch sie, im Akt der Liebe, vermögen wir wieder eins zu werden mit der Wirklichkeit. Dies allein ist unverändert und unveränderlich, doch da wir uns zuviel davon erhoffen, werden wir auch hier enttäuscht, und es bleibt nur Betäubung.
Die orthodoxe Religion hat uns im Stich gelassen, die Wissenschaft hat uns betrogen. Die Alten sind ohne Weisheit, und die Jungen erfahren die Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen in der Verworrenheit des Daseins. Der Mensch, nachdem er die wilden Tiere der Erde vernichtet hatte, hat ihr grünes Fell, auf dem er lebt wie ein Schmarotzer auf dem Rücken eines Ochsen, übel zugerichtet, und in seiner Raserei beginnt er jetzt, sich gegen sich selbst zu richten. Und doch, trotz allem, gibt es noch Gott, und Schönheit, gibt es noch die Frau, und die Liebe.
Wer ist es, der hier berichtet und von sich sagt: Ich? Wie vielfältig war dieses Ich, das sich veränderte von Jahr zu Jahr, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute. Dieses Ich, das irgend etwas haben wollte, es bekam und dann nicht mehr haben wollte. Das Ich, das von Sinnen war vor Liebe, vor Leidenschaft. Das befriedigte Ich. Das wütende Ich. Das schlafende Ich. Das Ich auf der Jagd, begierig nach Tod, das Ich, das den Tod bereute, wenn ich getötet, das die Liebe bereute, wenn ich geliebt hatte. Das Ich, das einen Hund streichelte, das Ich, das ihn mit dem Fuß stieß. In jeder Stimmung, in jeder einzelnen Phase, war dieses Ich anders, und was ich hier in der einen Stimmung sagte, hätte ich in einer anderen nicht gesagt und nicht einmal gedacht. War dieses Ich, diese Konzeption meiner Persönlichkeit, nichts weiter als eine Fiktion meiner eigenen Einbildung? War keiner von uns ein wirkliches Individuum? Waren wir nur Mischungen, Amalgamierungen sozusagen. verschiedener Charaktereigenschaften, die sich vereinigten zu einem Ganzen, so veränderlich, daß nie mit Bestimmtheit vorauszusehen war, wie dieses Ganze reagieren würde — da alles davon abhing, ob man gesund oder krank, ob es Tag oder Nacht war, welche Menge von Alkohol man getrunken hatte, ob man gerade geliebt hatte oder im Begriff stand zu lieben, wie solvent wir jeweils waren, oder wie das Wetter war, gut oder schlecht, heiß oder kalt? Oder was wir anhatten? Denn die Gemütslage eines Mannes verändert sich, wenn er etwas anderes anzieht, genauso wie die einer Frau.
Ich sehe das alles jetzt sehr deutlich. Dieses Ich, das ich war. Das Er und Sie derer, die ich kannte. Ich, Er und Sie waren vielfältig facettiert und vielgesichtig, ähnlich vielgestaltig wie die hölzernen Tiere des Karussells meiner Jugend, die sich auf dieser feststehenden Bühne im Kreis herumbewegten. Das einzige, dessen man sicher sein kann, wenn man ein Individuum kennenlernt, ist, daß das Zebra, der Apfelschimmel oder der Vogel Strauß, das Tier also, das wir bei der ersten Begegnung erblickten, wieder vorbeikommen wird, wenn wir nur lange genug warten.
Was wir von anderen wissen, ihren Charakter nennen, ist nichts als ein Katalog ihrer tierischen Eigenschaften. Es gibt Menschen, die ganz Löwe sind, und andere sind ganz Schakal. Doch die meisten von uns sind eine Mischung aus stolz krähendem Hahn, laut iahschreiendem Esel und Vogel Strauß, den Kopf versteckt im Sand unserer Unwissenheit und unserer Vorurteile.
Es wird mir im Rückblick nicht ganz leicht, mich selbst zu sehen, wie ich damals war, einssechsundsiebzig groß und hundertsiebzig englische Pfund schwer. Mein Haar war dunkel, meine Augen von der Farbe der Haselnuß. Ich war kräftig, abgehärtet und durchtrainiert, und ich brachte im Monat dreihundert Meilen und mehr im Sattel hinter mich. Gelegentlich lag ich natürlich auch mit Fieber. Doch es scheint mir in der Erinnerung, als sei ich sehr lebendig gewesen — straffgespannt wie eine Saite auf dem Instrument meiner Vitalität. Jetzt ist mein Haar grau, macht einen distinguierten Eindruck, wie man dazu wohl manchmal sagt, mein Rücken ist gebeugt, meine Taille sehr viel umfangreicher. Ich habe mich gut gehalten, sagen die Leute. Sehr gut sogar, wenn ich bedenke, was für ein Leben ich geführt habe. Innerlich konserviert durch die scharfe Lauge des Gins einer Million Martinis, außen gefirnißt mit dem Lack einer Million gesellschaftlicher Veranstaltungen, ermüdet vom Zynismus des Geschehens, das sich Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat beständig zu wiederholen scheint. Doch damals, in jener seltsam fernen Vergangenheit, war alles immer neu. Ich fand dieser Tage eine Photographie von mir, aufgenommen in Leopoldville. Sie ist sehr verblaßt, ein wenig angefressen von Termiten und Motten. In gewisser Weise ist es mir genauso ergangen. Die Farbe meiner Augen ist blasser geworden, die Umrisse meiner Figur, ja sogar die Umrisse meiner Persönlichkeit, sind undeutlich verwischt wie die des Bildes. Ich glaube, ich war damals ein gutaussehender junger Mann — un beau garcon , aber schließlich waren wir in unserer Jugend alle schön und stark, oder wenn wir es nicht waren, so meinen wir jedenfalls, wir seien es gewesen. Vielleicht läßt sich das Altwerden auch so definieren: es ist wie das allmähliche, unmerkliche Verblassen eines Bildes, unmerklich, bis wir ein Porträt von uns selbst entdecken, wie wir damals waren. Wenn wir sagen: Habe ich wirklich so ausgesehen? Bin das wirklich ich?
Ist, was hier berichtet wird, die Geschichte einer Entartung, oder etwas, was jedem von uns unter ähnlichen Umständen und Belastungen genauso hätte geschehen können — oder ist auch diese Geschichte weiter nichts als ein Alibi?
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