das Weib rede in der Gemeinde – Buch gebraucht kaufen

3579011189

(ISBN-13: 9783579011189)

leichte Gebrauchsspuren

96

170 g

Taschenbuch

Deutsch

Liebe Maria Jepsen!

Ob es der Humor oder der Gerechtigkeitssinn Gottes war, der bewirkte, daß die erste Bischöfin in der Geschichte der lutherischen Kirchen Maria heißt ?

Was könnte uns Besseres passieren, als daß eine Maria die Frauen-Sukzession wieder aufgreift, die mit Miriam der Prophetin, begann, die ihr Volk aus der Knechtschaft Ägyptens befreien half; die Maria, das schwangere Mädchen einschließt, das davon zu singen weiß, wie Gott sich zu den vom Leben und der Geschichte Benachteiligten hinwendet, um sie aufzuheben, und die Mächtigen in ihre Schranken weist. Bis hin zu jener Maria, mit der die Geschichte der Kirche begann, jener Frau am Grab Jesu, die nicht glauben wollte, daß alles aus sei, was dieser Mensch begonnen hatte und die für sich und uns alle die Grabestür durchschritt, damit das Leben sich Bahn breche.

Ihre Wahl ist für uns Frauen ein bewegendes geschichtliches Ereignis. Für diese Stunde haben viele Frauen gearbeitet, gebetet, gekämpft und gelitten, haben rebelliert und sind gedemütigt worden, haben sich aufgerichtet, um erhobenen Hauptes und aufrechten Ganges hervorzutreten, so wie Sie, als Sie an jenem denkwürdigen Tag vor die Fernsehkameras der Nation traten. Es ist gut, sich zu vergewissern, daß der Name Maria aus der hebräischen Wurzel >marah< stammt und das bedeutet zum einen widerspenstig sein, aufbegehren, sich wider-setzern, kann aber auch >füllig sein< heißen, was in der damaligen Zeit gleichbedeutend mit >schön< ist.

Wir wünschen Ihnen, daß Sie die richtige Mischung zwischen diesen Bedeutungen Ihres Namens für das Bischofsamt in der Volkskirche finden.

Sie seien eine >sanfte Feministin<, so schrieben die wohlwollenden Gazetten. Sie wissen es also selbst, daß mit der Feministischen Theologie ein Hoffnungsschimmer in den patriarchalischen Kirchenalltag gefallen ist. Sie wissen auch, daß ohne die Frauen in der Kirche sich nicht viel bewegen wird.

Die Feministische Theologie führt noch immer ein Aschenputteldasein.

Sie erwächst aus der kirchlichen Frauenbewegung und umfaßt Frauen allen Alters: grauhaarige Großmütter, junge Theologinnen, Kirchenchorsängerinnen, Friedensfrauen, Pfarrerinnen. Viele dieser Frauengehören zu den aktivsten Gliedern an der Basis der Ortsgemeinden; sie machen Hausbesuche, sammeln Opfer, halten Kinderkirche, leiten Frauenkreise und setzen sich für soziale Fragen ein: Flüchtlinge, Südafrika, Frieden. Woher dieses Interesse? Weil mit der Feministischen Theologie etwas Lebendiges in den fraulichen Kirchenalltag eingezogen ist. Sie hat neue Kraft und eine neue Spiritualität geweckt. Frauen denken nach, diskutieren, lachen, singen, tanzen, spielen und unternehmen miteinander konkrete Aktionen. Sie haben begonnen, die christliche Tradition mit den Augen der Frauen neu zu entdecken: kurz, sie haben die Frohe Botschaft des Evangeliums entdeckt, die ihnen buchstäblich in die Knochen gefahren ist und sie beginnen zu verstehen, was es heißen könnte, dem paulinischen Rat zufolge »Gott mit dem Leib ... der ein Tempel des Heiligen Geistes ist... zu preisen« (nach 1. Kor. 6:19 + 20).

Solche unkontrollierte Lebendigkeit in der Kirche erregt Mißtrauen, weckt Angst, vielleicht auch ein wenig Neid. Die Frauen machen Gemeinschaftserfahrungen und entdecken eine Spiritualität, die ihnen Kraft gibt, sich dem Leben neu zuzuwenden. Sie wollen sich nicht mit den traditionellen, dogmatischen und bürokratischen Formen der Kirche zufrieden geben, weil sie meinen: »Das kann doch nicht alles gewesen sein ...« Der Streit der Theologen erfreut sie nicht, und immer weniger gefällt ihnen das passive Belehrtwerden von den Kanzeln herab, von denen oft, wie Nelly Sachs sagt, mit »versteinerten Nachtigallenzungen« geredet wird; sie spüren, daß da etwas Großartiges, Lebendiges ist, die Poesie des Hauches Gottes eben; aber irgendwie ist es oft wie versteinert und ausgetrocknet.

Die Frauen wollen göttliche Gegenwart und den göttlichen Geist in allem, was sie tun, erfahren. Sollte das ein häretischer Wunsch sein?

Die Tatsache, daß Feministische Theologie auch so viele Laiinnen ergriffen hat, daß sich ein Feminismus auf dem Lande< ausbreitet, spricht dafür, daß die Frauen kein akademisches Interesse an der Feministischen Theologie haben, sondern Orientierung für ihre >praxis pietatis< und ihr christliches Frausein suchen. Sie haben ein genuines Interesse an der Erneuerung ihres Glaubens. Diese neue Theologie der Frauen, die mit wesentlichen Beiträgen zur Exegese, Dogmatik, Kirchengeschichte und Lituergie aufgewartet hat, will sich aber nicht
usw....

Nachgedunkelt.
Mit einer Widmung.

1992

BN32479