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Das Beeindruckendste von Elizabeth Bowen von
aus der Sparte Romane/Erzählungen: Sonstiges - Romane / Erzählungen

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Diese Liste wurde 4 mal bewertet. Durchschnitt: 3,5 von max. 4 Sternen.

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Der letzte September (The Last September, 1929)
Autor/in: Elizabeth Bowen

Bei Schöffling erschienen, ist dieses Buch das erste einer Serie von Werken der großartigen Schriftstellerin (1899-1973), um die der Verlag sich seit 2001 in einer Werksausgabe verdient macht. In diesem Roman läßt die Autorin den historischen Hintergrund wiedererstehen, vor dem sie selbst aufgewachsen ist, und entwirft ein trügerisches „Tennis-, Tee- und Tanzgesellschafts“-Idyll im alten Irland, das, wie der Titel suggeriert, ein baldiges Ende finden wird. Die Gründung der Republik Irland steht bevor, englische Soldaten haben es mit immer unruhigeren irischen Rebellen zu tun, die politische Stimmung lädt sich zunehmend auf. Besonders schicksalhaft ist dieser Herbst für die junge Adlige Lois, der Hauptperson des Geschehens: sie erlebt nicht allein die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, sondern muß auch ihren persönlichen Platz im Leben finden und wälzt alle großen Fragen in ihrem Kopf, für die sich eine 19jährige interessieren kann. Das Gut ihrer Eltern, wie seit vielen Jahren Treffpunkt für Sommergäste aller Art, bildet eine nur äußerlich ruhige Kulisse für die anstehenden und immer deutlicher werdenden Umwälzungen. Wenn auch die kriegerische Gewalt nicht direkt auf die Menschen einwirkt, die der Leser kennenlernt, wird dieser Sommer ihrer aller Leben entscheidend verändern. Nur eine, die der portraitierten Gesellschaftschicht entstammt, kann sie so gut beschreiben, aber Elizabeth Bowen bringt das Kunststück fertig, auch die nötige Distanz zum Geschehen aufzubringen, das ihre eigene Familiengeschichte in höchstem Maß beeinflußt hat. Ebenso schonungslos wie nostalgisch, nie ohne Einfühlungsvermögen (nicht Sentimentalität!), durchleuchtet sie die damals gültigen Gesellschaftsstrukturen und Denkweisen und entwickelt die dramatischsten Beziehungen zwischen ihren allzeit glaubwürdigen, vielschichtigen Charakteren, und das nie mit leichter Hand, sondern so, als müsse es eben so sein. Ich möchte empfehlen (auch bei den anderen Romanen in der gebundenen Ausgabe), nicht den Text im Schutzumschlag zu lesen, sie ist eine sehr weitgehende Zusammenfassung des Inhalts. Nur soviel: Elizabeth Bowen wäre nicht die brillante Schriftstellerin, als die sie jetzt wiederentdeckt wird, gäbe es nicht am Ende einen tragischen, plötzlichen und doch zwingenden Schicksalsschlag, der alles bisher Geschilderte erst so unumkehrbar und endlich macht. Elizabeth Bowens Sprache, besonders dieses unglaubliche Talent zur nicht allein Beschreibung, sondern Heraufbeschwörung von Stimmungen und Atmosphären – zwischen Menschen, aber auch zwischen Dingen und Menschen - , ist wirklich eine Entdeckung, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, denn unbedingt flüssig und leicht eingängig schreibt sie nicht. Beim Lesen wird auch deutlich, wie einfühlsam, einfallsreich und klug die großartige Sigrid Ruschmeier übersetzt hat, die man mit den Romanen Bowens und zuletzt (2007) mit dem Erzählband „Sommernacht“ betraut hat. Diese Entscheidung und die wirklich sorgfältige Veröffentlichung des Werks lassen einen wieder an das Gute in der Welt glauben und hoffentlich noch viele Leser zu Entdeckern dieser phantastischen Autorin werden.

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Kalte Herzen (The Death of the Heart, 1938)
Autor/in: Elizabeth Bowen

Da sind sie wieder, die komplexen Stimmungen oder besser Strömungen zwischen Menschen, die zwischen etwas stehen; die etwas hinter sich haben und sich etwas Neuem gegenübersehen. Diesmal ist es die 16-jährige Portia, die nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem erwachsenen Halbbruder Thomas und seiner Frau unterkommt und dort eigentlich eine schöne, sorglose Jugend erleben soll. Nun sind Thomas und Anna gesetzte Mitglieder der Mittelschicht, die eigentlich nur ihre Ruhe haben wollen und mit dem jungen, wurzellosen Mädchen etwas überfordert sind, zumal sie genug mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind. Als beherbergten sie ein nervöses Rennpferd, wissen sie nicht, was sie mit Portia anstellen sollen, was sie freilich weiß und was sie nur noch unsicherer macht. Auch am Ende dieses Romans trifft den Leser ein Schlag, das Geschehen vollzieht eine unvermutete Wendung, die immer Fragen offenlassen und einen mit einer Fülle von Deutungsmöglichkeiten zurücklassen wird, und das stylische Haus am Regent´s Park mit seinen engen Stockwerken, der zugigen Diele, den hohen, dunklen Räumen und vollgestellten Kaminsimsen ist das nüchtern-unbeteiligte Zentrum, das in einem trüben Londoner Januar Personen unter seinem Dach vereint, die das gar nicht zu wollen scheinen.

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Erzählungen (Manesse Bibliothek der Weltliteratur. Andere Bände: bei Schöffling „Sommernacht“, 2007, und antiquarisch z. B. „Die ferne Stadt Kor“ bei Klett-Cotta, 1985)
Autor/in: Elizabeth Bowen

Man muß sie schätzen, die kleinen, eleganten Klassiker-Bändchen des Zürcher Manesse-Verlags, denn was sie zwischen ihren bunten Buchdeckeln sammeln, gehört zum kulturellen Erbe der Menschheit, und sie sind in Form und Ausstattung so ordentlich gemacht, daß man sie weitervererben (und in der Vitrine mit ihnen angeben) kann. Die hier gesammelten Erzählungen verdeutlichen ein weiteres Talent der Schriftstellerin, nämlich das zu komplexen und äußerst irritierenden Kurzgeschichten. Elizabeth Bowen hat Kurzgeschichten einmal als die ihr gelegenste Erzählform bezeichnet. Gute Geschichten dieser Form sind immer Ausschnitte, aber sie bilden in sich geschlossene Episoden und beschreiben etwas, das in seiner Fülle den Leser nicht „erschlägt“; sie müssen auf kleinem Raum ein empfindliches Gleichgewicht halten zwischen Hintergrundinformationen und aktuellem Geschehen. Als solche sind sie, glaube ich, gar keine leichte Erzählform, im Gegensatz zu dem Vergnügen, das der Leser mit Kurzgeschichten hat, denn man kann sie beispielsweise gut abends vor dem Schlafengehen lesen. Wenn es nicht die von Elizabeth Bowen sind, die den Leser mitreißen wie eine U-Bahn, bei der man unterwegs feststellt, daß man in die falsche Richtung fährt. Nicht nur das macht einen ja nervös, sondern auch die Ungewißheit dessen, was einen am Ende erwartet. In „Gestehen“ lernen wir einen jungen Mann, Terry, kennen, der eine junge Frau umgebracht hat und diese Information vergebens ihren gemeinsamen Freunden begreiflich zu machen versucht. Terrys Problem war immer seine Farblosigkeit, er ist schüchtern und unscheinbar, und was er mit seiner Tat ein für alle Mal zu tilgen versuchte, wird ihm wieder zum Stolperstein: als er von seiner Tat erzählen will, wird er von seiner Schwester unterbrochen und aufgefordert, Möbel umzustellen. Was für eine Kunst Elizabeth Bowens zu beschreiben, wie ein Mensch in dieser Situation sich fühlt! Warum verspüren wir fast Mitleid, als Terry seinem zeitunglesenden Vater das blutverkrustete Messer zeigen möchte und unter Tränen feststellen muß, daß er es verlegt hat? Übrigens hat Irma Wehrli die Geschichten super übersetzt, manchmal schimmert charmant das Schweizerische durch. Nicht immer ist es so vordergründig dramatisch, oder so gruslig, und auch das beherrscht diese Schriftstellerin. Auch in ganz alltäglichen Situationen kann einen das Grauen anfallen, wie die Gastgeberin eines Nähkränzchens feststellen muß, die den Nachmittag verkniffen bis ins letzte Detail vorbereiten will und urplötzlich mit der Situation vollkommen überfordert ist und schier zusammenbricht, sie sieht ihre Gäste auf das Haus zukommen und kapituliert, sie rennt aus dem Haus! Das Trügerische vor einem absolut unauffälligen Hintergrund, das ist es, was uns Elizabeth Bowen zeigt, diese nicht vorhandene Sicherheit, zu keinem Zeitpunkt, in keiner noch so überschaubaren Lebenslage. Hier sind ihre Kurzgeschichten wie die nächste Station in der falschen U-Bahn, die man wider Erwarten doch kennt und dann merkt, daß keine Bahn mehr zurückfährt. Oder man hat seine Tasche auf dem Sitz liegenlassen.

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Die Fahrt in den Norden (To the North, 1932/33)
Autor/in: Elizabeth Bowen

Mein Lieblings-Lieblingsroman von Elizabeth Bowen und wieder dieser spröde Blick in intimste Gedanken, wieder versuchen Menschen, die auf der Straße nicht unser Interesse wecken würden, mit ihrem Leben zurechtzukommen (sie gehören der höheren Gesellschaftsschicht an, benehmen sich dementsprechend mit der ihr eigenen Selbstverständlichkeit und wissen doch oft nicht einmal selbst, was das Schicksal mit ihnen anstellt). Zwei Frauen leben zusammen in London, eine junge Witwe und ihre Schwägerin, die eine eigene Reiseagentur hat. Will, soll die Witwe Cecilia wieder heiraten? Sie kommt eben von einer Italienreise zurück und hat im Zug einen interessanten jungen Mann kennengelernt und muß sich jetzt, nach ihrer Rückkehr, erst einmal mit ihrer neuen gesellschaftlichen und auch finanziellen Lage anfreunden, und ihre Freundin Emmeline kommt nicht damit zurecht, daß sich in ihre erkämpfte Unabhängigkeit Cecilias Reisebekanntschaft Markie einschleicht und sie zunehmend fasziniert. Die jungen Menschen in diesem Roman treiben wie Eisschollen aufeinander zu und wieder voneinander weg, mit eingefrorenen Empfindungen und in einem riesigen Meer. Soviel vorweg: das Ende dieses Romans ist besonders endgültig und schmerzhaft. In der Beschreibung von Räumlichkeiten und den Stimmungen, die sie abbilden, zeigt sich in diesem Roman ganz besonders das Können dieser Schriftstellerin, denn im Haus der beiden jungen Frauen tut sich naturgemäß einiges; es finden Einladungen und Parties statt, Besuche zu allen möglichen Zeiten; Kleider hängen über Schranktüren, Badewasser läuft ab, das Frühstück wird spät serviert, Blumen werden arrangiert. Das Haus ist gleichzeitig wichtig, weil hier gesellschaftliche Fäden zusammenlaufen – es gibt da die wohlmeinende Lady Waters, eine angeheiratete Tante Cecilias, die immer genau weiß, was richtig ist -, und auch wieder zu vernachlässigen, denn freilich spielt sich alles Wichtige zwischen den Menschen ab, oder sollte es zumindest. Beim Lesen dachte ich oft: selbst wenn ich wirklich bei euch wäre, Cecilia und Emmeline, und wie ich es mir stets einbilde, sobald ich das Buch wieder aufschlage, ich könnte euch nicht helfen. Ich würde euch wortlos beobachten und mich an den Kamin stellen, denn mit Sicherheit wäre es kalt im Zimmer.

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